
Oliver-Playford
Die Fallzahlen für behandlungsbedürftige psychische Leiden steigen seit Jahren: Nach aktuellen Hochrechnungen mehrerer Krankenkassen trifft die Aussage zu, dass etwa jeder dritte Deutsche im Lauf seines Lebens zeitweise oder dauerhaft wegen psychischer Probleme behandelt werden muss. Depressionen etwa und die durch sie verursachten körperlichen Probleme, die so genannten psychosomatischen Erkrankungen, gelten mittlerweile als Volkskrankheit.
Die meisten Mediziner kennen und behandeln also psychosomatische Erkrankungen in der Annahme, dass dem körperlichen Leiden eine psychische Störung zugrunde liegt. Doch wesentlich unpopulärer ist noch immer die umgekehrte Variante: Auch eine zuerst entstehende Fehlfunktion des Körpers kann als Folge massive Auswirkungen auf die Psyche haben! Mit diesem Phänomen beschäftigt sich eine eigene Disziplin in der medizinischen Wissenschaft, die Somatopsychologie. Im Vergleich zum etablierten Lehrgebiet der Psychosomatik (wo es ja um den umgekehrten Sachverhalt geht) ist die Wissensvermittlung über Somatopsychologie an deutschen Universitäten indes noch immer bescheiden, obwohl der Begriff schon in den 1920er Jahren vom berühmten Psychiater und Philiosophen Karl Jaspers (1883 – 1969) definiert und beschrieben wurde.
Es ist tatsächlich so: Eine große Anzahl körperlicher (somatischer) Fehlfunktionen und Erkrankungen -über 400 somatische Auslöser sind heute bekannt und benannt- kann direkt oder indirekt psychische Probleme verursachen.
Hier sind zu nennen:
- Psychische Störungen bedingt durch Entzündungsvorgänge / Infekte;
- Angeborene (genetisch bedingte, vererbte) psychische Leiden;
- Neurologisch bedingte psychische Leiden;
- Psychische Störungen durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen;
- Hormonell bedingte psychische Leiden;
- Durch Ernährung bedingte psychische Störungen;
- Psychische Störungen als Nebenwirkung von Medikamenten.

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Für jeden der genannten Bereiche ließen sich zahlreiche Beispiele anführen. Hier ein häufiger Vorgang: Schon eine banale Erkältung, ein so genannter grippaler Infekt, kann je nach persönlicher Empfänglichkeit mehr oder minder deutliche psychische Veränderungen hervorrufen. Das typische Krankheitsgefühl mit Mattigkeit, Kopfschmerzen, gedrückter Stimmung und verminderter Aufnahmefähigkeit ist das Ergebnis der Ausschüttung erkrankungsspezifischer Botenstoffe (Neurotransmitter) im Zusammenhang mit der Aktivierung des Immunsystems, das auf die eingedrungenen Krankheitserreger anspricht.
Das Fatale ist nun, das jedes Jahr tausende Patienten fälschlicherweise wegen ihrer psychischen Probleme von Psychologen therapiert werden, ohne dass die wahren (körperlichen) Gründe für die Psychosymptome erkannt werden. In der Praxis ist es leider so, dass Psychologen, denen seinerzeit in ihrer Ausbildung noch keine medizinischen Grundlagen vermittelt wurden meist viel zu wenig mit Medizinern zusammen arbeiten und sich fachübergreifend austauschen. Sie kommen daher schlichtweg nicht auf die Idee, dass die Ursache für die psychischen Symptome auch organischer Natur sein könnte.
Unsere Empfehlung für Betroffene kann daher nur lauten: Wenn Sie unter wiederkehrenden oder permanenten psychischen Beeinträchtigungen leiden, weisen Sie den Arzt Ihres Vertrauens direkt darauf hin, dass möglicherweise eine körperliche Ursache für die Beschwerden verantwortlich ist. Schon eine routinemäßige Analyse der Blutbestandteile und / oder wichtiger Elemente des Hormonhaushalts kann hier den entscheidenden Hinweis liefern.