Der demografische Wandel und die dadurch steigende Anzahl der Pflegebedürftigen verursacht bei den Angehörigen oftmals ein großes Maß an Verunsicherung. IGTV möchte hier unterstützend wirken und hat versucht, sich anhand eines akuten Fallbeispiels ein Bild von den auftretenden Fragen und den damit verbundenen Problematiken zu machen.
Brigitte S. (Name geändert) aus Berlin schildert ihren Fall so:
„…Als ich von dem behandelnden Arzt meiner Mutter gesagt bekommen habe, dass sie aufgrund ihres Schlaganfalls ab sofort pflegebedürftig ist, war ich zutiefst schockiert. Ich fühlte mich sofort hilflos und überfordert. Meine Mutter, die immer für mich da war und sich ihr ganzes Leben um die gesamte Familie gekümmert hat, soll nun pflegebedürftig sein – ein Schock…“
So oder ähnlich geht es sehr vielen Angehörigen. Wir haben Frau Brigitte S. nach ihren ersten Schritten befragt:
„… Nach dem Gespräch mit dem sozialen Dienst des Krankenhauses ist mir klargeworden, dass für uns, also für meine Mutter und mich, in erster Linie nur eine 24-Stunden-Pflege zuhause in Frage kommt. Ich habe daraufhin gemeinsam mit dem sozialen Dienst eine Kurzzeitpflege organisiert, um mich in Ruhe mit den folgenden Schritten vertraut machen zu können…“
Die gesetzlichen Grundlagen der Sozialarbeit im Krankenhaus sind über § 112 Sozialgesetzbuch, § 11 Abs. 4 und § 39 Abs. 1 SGB V und die Krankenhausgesetze der Länder geregelt.
Dem zu Folge ist es Aufgabe der Krankenhäuser, für eine sachgerechte Anschlussversorgung des Versicherten zu sorgen. Des weiteren sollen die Krankenkassen und die Krankenhausträger Verträge über die soziale Betreuung und Beratung der Versicherten im Krankenhaus schließen, die u. a. den nahtlosen Übergang von der Krankenhausbehandlung zu Rehabilitation oder Pflege regeln sollen.
Um die Realität des Handelns des „sozialen Dienstes“ praxisnah dargestellt zu bekommen hat IGTV Sibylle Kraus, Leiterin Sozialdienst & Case Management, aus dem St. Hedwig-Krankenhaus Berlin folgende Fragen gestellt:
Die Sozialgesetzgebung sieht vor, dass Sie die Versicherten, bzw. Patienten über Leistungen und verschiedene Unterstützungsangebote informieren. Wie sieht dies im Einzelnen aus?
Der Sozialdienst ist Bestandteil des ganzheitlichen Versorgungsspektrums des St. Hedwig-Krankenhauses. Er arbeitet eng mit den Ärzten Pflegekräften, Therapeuten und relevanten Diensten und Einrichtungen in- und außerhalb des Krankenhauses zusammen. Die Dipl. SozialarbeiterInnen beraten bei Problemen im Zusammenhang mit einer Erkrankung oder Behinderung und unterstützen bei der Vorbereitung der Entlassung, bei der Sicherstellung der Hilfen, die nach der Entlassung erforderlich sind, und bei der Organisation der medizinischen Rehabilitation. Darüber hinaus informiert der Sozialdienst die Patienten über die (gesetzlichen) Möglichkeiten des Gesundheitswesens und anderer Leistungsträger/Kostenträger. Er unterstützt Patienten auch bei der Antragstellung.
Der Sozialdienst stimmt sich jeweils eng mit dem Patienten (und ggf. seinen Angehörigen) ab und ergreift die mit ihnen abgestimmten Maßnahmen – jeweils unter Beachtung der gesetzlichen und realen Möglichkeiten.
Welche Anregungen können Sie den Patienten vermitteln?
Konkret informiert der Sozialdienst z.B. im o.g. Fallbeispiel zunächst über die verschiedenen Möglichkeiten der Rehabilitation, um dauerhafte Pflegebedürftigkeit zu vermeiden bzw. zu vermindern. Wie in dem Beispiel beschrieben, organisiert er jeweils im Einzelfall die Hilfen (wie z. B. Hilfsmittel, häusliche Krankenpflege, Notrufsysteme usw.), die nach einer Krankenhausentlassung erforderlich sind. Gleichfalls berät er über die verschiedenen Wohnformen (Wohngemeinschaften. Kurzzeitpflege, Pflegeheime). Falls eine Versorgung zu Hause nicht mehr gewünscht oder möglich ist, berät der Sozialdienst auch über die verschiedenen Wohnformen (Wohngemeinschaften. Kurzzeitpflege, Pflegeheime) und deren Eignung für die individuelle Situation.
Er klärt sozialrechtliche Fragen zu den gesetzlichen Bestimmungen der Pflegeversicherung, des Schwerbehindertengesetzes, der Sozialgesetzgebung (z. B.: Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II, Sozialgeld), der gesetzlichen Betreuung, u. s. w.. Ausserdem informiert der Sozialdienst zusätzlich über ergänzende Hilfsangebote, wie Selbsthilfegruppen, spezialisierte ambulante Beratungsstellen, z. B. bei Krebserkrankung, u. ä., zu denen die Patienten oder und oder ihre und Angehörigen Kontakt aufnehmen können.
Wie ist die soziale Komponente Ihrer Tätigkeit zu bewerten?
Durch einen Krankenhausaufenthalt können sich Probleme und Fragen ergeben, die die Patienten und Ihre Angehörigen zunächst überfordern können. Gleichzeitig sind Entscheidungen zu treffen, die sich auf das Leben der Patienten (und das ihrer Angehörigen) erheblich auswirken können. So ist gerade die Entscheidung, die eigene Wohnung eventuell aufzugeben und in ein Pflegeheim zu ziehen, von einschneidender Bedeutung für die Betroffenen.
Gerade in solchen Krisensituationen ist es besonders wichtig, dem Patienten zur Seite zu stehen und mit ihm gemeinsam zu besprechen, welche Alternativen bestehen und welche Ziele der Patient selbst hat. Hier unterstützt der Sozialdienst die Patienten und Angehörigen dabei, ihre vorhandenen Bewältigungsstrategien zu erkennen und zu nutzen, er kann Lösungen und Unterstützungsmöglichkeiten aufzeigen, die ein selbstbestimmtes Leben weiter ermöglichen.
Interview: JK Fotos: St. Hedwig-Krankenhaus