Der heutige Therapiestandard bei Krebserkrankungen baut auf folgenden drei Säulen auf:
Zum einen der Operation, zum anderen der Gabe von zellteilungshemmenden Medikamenten und zum dritten der Verabreichung der Strahlentherapie. Die moderne Strahlentherapie kommt derzeit bei rund 60 Prozent der an Krebs erkrankten Patienten zum Einsatz.
Ziel jeder Strahlentherapie ist es, das Tumorgewebe zu zerstören oder so stark zu schädigen, dass es nicht mehr unkontrolliert wächst. Bisher werden hierzu vor allem ultraharte Röntgenstrahlen von Linearbeschleunigern eingesetzt. Geladene Teilchen wie die Protonen dagegen sind besonders effizient und schonen dennoch den Patienten.
IGTV wollte mehr über die Zukunft dieses neuen Verfahrens erfahren und hat ein Interview mit dem Direktor des OncoRay-Zentrums geführt.
Worin besteht der wesentliche Unterschied zur herkömmlichen Röntgenstrahlen-Therapie?
Die für die heute übliche Strahlentherapie verwendeten Photonen entfalten ihre therapeutische Wirkung nicht nur im Tumor selbst, sondern bereits auf ihrem Weg durch den Körper zur Krebsgeschwulst und auch dahinter. Protonen dagegen können so eingesetzt werden, dass sie auf dem Weg zum Tumor nur wenig Energie abgeben. In dem bösartig veränderten Gewebe dagegen entfalten sie ihre volle Kraft.
Den Protonenstrahl können die Therapeuten so formen, dass die Protonen das hinter der Krebsgeschwulst liegende gesunde Gewebe nicht mehr schädigen. In dieser Hinsicht sind die Protonen in ihrer medizinischen Wirkung den heute standardmäßig eingesetzten Photonen deutlich überlegen. Allerdings gilt es, den medizinischen Gewinn dieser wesentlich teureren Behandlungsform für jede der verschiedenen Tumorarten gegenüber der heutigen Strahlentherapie zu überprüfen. Dies geschieht in aufwändigen, streng kontrollierten klinischen Untersuchungen. Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen wird die Protonentherapie nur bei einem Teil der Tumorerkrankungen sinnvoll sein.
„Das Nationale Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie – ‚OncoRay‘ forscht seit seiner Gründung intensiv daran, die Strahlentherapie weiterzuentwickeln. Der Einsatz von Protonenstrahlen wird dabei künftig eine wichtige Rolle spielen. Mit der Protonentherapie wird die Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Dresdner Universitätsklinikum ihre bereits heute herausragenden Möglichkeiten bei der Versorgung von Tumorpatienten nochmals entscheidend erweitern. Das OncoRay-Zentrum hat dazu in zehn Jahren ein einzigartiges Modell geschaffen, das alle Stufen medizinischer Entwicklung enthält; das heißt von der Grundlagenforschung bis zur Anwendung beim Patienten“, sagt Prof. Michael Baumann, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Dresdner Uniklinikum sowie Direktor des OncoRay-Zentrums und des Radioonkologieinstituts im Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf.
Werden bereits Patienten versuchsweise mit dem neuen Verfahren behandelt?
In Dresden werden die ersten Patienten voraussichtlich ab Sommer 2014 im Rahmen von Studien behandelt. Das Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum HIT beispielsweise setzt Protonen und weitere Ionen bereits erfolgreich gegen unterschiedliche Krebserkrankungen ein.
Welche Schritte müssen erfolgen, um das Verfahren für alle Patienten verfügbar zu machen?
Der Teilchenbeschleuniger im Dresdner OncoRay-Zentrum ist – ebenso wie der Umlenkmagnet, der die Protonen für jede einzelne Bestrahlung konfektioniert – sehr groß. Zudem geht die herkömmliche Technologie mit einem immensen Aufwand für den Strahlenschutz einher. Das bedeutet etwa, dass man besonders dicke Betonwände zur Abschirmung braucht. Beschleunigt man die Protonen dagegen mit intensiven Lichtpulsen von einem Hochleistungslaser, minimieren sich Aufwand und Kosten erheblich. Diese hochmoderne Beschleunigertechnologie wird im Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) erforscht. „Wir sind überzeugt, dass wir die laserbeschleunigte Anlage auf eine Größe zusammenschrumpfen können, die in vielen Kliniken Platz finden wird“, sagt der Wissenschaftliche Direktor des HZDR, Prof. Roland Sauerbrey.
Doch nur wenn die Therapiestrahlen während der Behandlung den Tumor genau treffen, kann die Protonentherapie ihre volle Stärke entfalten. Deshalb verfolgen die Physiker im HZDR und am OncoRay-Zentrum gemeinsam das Ziel, die Strahlen in Echtzeit zu überwachen. Basis dafür ist ein völlig neuartiges Verfahren, das den Weg des Protonenstrahls im Körper verfolgt. Die so erzeugten Bilder geben dem Radioonkologen die Sicherheit, dass gesundes Gewebe weitgehend geschont und die Krebszellen vernichtet werden.
Folgend ein Video zum PET:
Interview: JK Bilder: HZDR