Sie sind ganz klein, schrumpelig oder dicklich, aber auch glatthäutig, schlank und bis 20 cm lang: Chilischoten, auch als Peperoni, spanischer Pfeffer oder Cayennepfeffer bekannt (lateinisch: Capsicum fructescens), gibt es in allen möglichen Formen, Farben, Größen und Schärfegraden. Was da im 16. Jahrhundert von den spanischen Seefahrern aus Lateinamerika zu uns gebracht wurde, ist als enorm beliebtes Lebensmittel und Gewürz inzwischen weltweit verbreitet. Chilis gehören zur Familie der Nachtschattengewächse, sind also mit Tomaten und Kartoffeln verwandt.
Scharfmacher dieser Früchte ist die Substanz Capsaicin, ein farb- und geschmackloses Alkaloid. Kochen oder Einfrieren übersteht die Substanz unbeschadet. Capsaicin ist in Alkohol und Fett löslich, in Wasser hingegen nicht; daher bringt es nichts, sich nach einem zu scharfen Essen durch Trinken von viel Wasser Linderung zu erhoffen. Eher helfen fette Milch, etwas Brot mit Öl oder ein Verdauungsschnaps.
Capsaicin und seine Wirkung gelten jedoch auch als „Scharfmacher“ der etwas anderen Art – Schärfe soll die Libido anregen und das Bedürfnis nach Erotik enorm steigern. Bei gemässigtem Verzehr von scharfen Substanzen werden durch Botenstoffe Signale an das zentrale Nervensystem gesandt, die wiederum Auslöser für die Produktion von Hormonen bewirken, die sowohl Glücksgefühle, als auch das Verlangen steigern. Weitere Informationen hierzu finden Sie bitte hier.
Zunehmend populär wird die scharfe Substanz nun auch außerhalb der Küche, nämlich als medizinisch wirksamer Stoff. Was passiert da im Körper eigentlich, wenn wir scharf essen? Schärfe ist genau genommen kein Geschmack, da gibt es nämlich nur die Grundrichtungen süß, sauer, bitter, salzig und umami (proteinreich, herzhaft). Schärfe hingegen hat mit Schmerzempfindungen zu tun. Nach Kontakt mit der Haut bzw. Schleimhäuten aktiviert das Capsaicin lokale Schmerz- und Wärmerezeptoren, was als Brennen und Hitzegefühl wahrgenommen wird. Es erfolgt eine stoßartige Ausschüttung von Neurotransmittern (so genannte Substanz P), wodurch zunächst das Schmerzgefühl entsteht, wenig später aber eine schmerzlindernde Wirkung eintritt, da die geleerten Speicher dieser Neurotransmitter nicht so schnell nachgefüllt werden können und somit Signale, deren Übertragung von der Peripherie zum Zentralnervensystem von eben diesen Neurotransmittern abhängen, vorübergehend nicht mehr übertragen werden können. Dies führt zu einer vorübergehenden Desensibilisierung gegen Schmerz.
Mit dem Rückgang des Vorrats an Nervenbotenstoffen setzen also die schmerzlindernden und entzündungshemmenden Wirkungen des Capsaicins ein. Dieser Wirkmechanismus wird medizinisch schon seit geraumer Zeit genutzt – in lokal wirksamen Salben oder Wärmepflastern. Das Prinzip ist Desensibilisierung überaktiver Nervenfasern mittels Überstimulierung durch den Wirkstoff Capsaicin.
Noch relativ neu ist die medizinische Anwendung von Capsaicin in Kombination mit einem anderen lokal wirksamen Schmerzmittel namens QX-314, welches eine Weiterentwicklung des bekannten Lokalanästhetikums Lidocain darstellt; hierbei wirkt das Capsaicin quasi als „Türöffner“, indem es die richtigen Membrankanäle der Nervenzellen für die Substanz QX-314 passierbar macht. Der Effekt ist, dass zwar am gewünschten Ort eine Schmerzlinderung eintritt, jedoch ohne dass wie sonst üblich, die Tastsensoren und motorischen Nervenzellen gleich mit blockiert werden.
Der scharfe Stoff aus der Chili kann aber noch mehr: Wissenschaftlich erwiesen ist etwa, dass Capsaicin die Widerstandsfähigkeit der Magenschleimhaut gegenüber dem bekannten Schmerzmittel Acetylsalicylsäure sowie gegen Alkohol oder Säuren verstärkt. Die schützende Wirkung entsteht, weil Capsaicin die Schmerz- und Säuresensoren in der Magenschleimhaut stimuliert: Die Magendurchblutung steigt und lokale Schutzmechanismen werden aktiviert.
Gezielt erforscht wird in jüngster Zeit auch die Nutzbarmachung von Capsaicin zur Behandlung von starken Schmerzzuständen, etwa nach Verletzungen oder bei Krebspatienten. Im menschlichen Körper haben Forscher der University of Texas in San Antonio unlängst Substanzen entdeckt, die dem Capsaicin sehr ähnlich sind, nämlich Fettsäuren (oxidierte Linolensäure-Metaboliten – OLEM), die über Rezeptoren den Schmerz verursachen. Wenn es nun gelingt, die Produktion dieser Stoffe gezielt zu blockieren, könnten sogar chronische Schmerzen effektiv und ohne die starken Nebenwirkungen herkömmlicher Schmerzmittel (Suchtgefahr durch Opiate etc.) bekämpft werden.