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Zur Geschichte der Nierenheilkunde (Nephrologie)

Die Nierenheilkunde (der Fachbegriff Nephrologie stammt aus dem Griechischen) ist ein Teilgebiet der Urologie, also jener Fachrichtung in der Inneren Medizin, die die Diagnose und Therapie von Erkrankungen der harnbildenden und harnableitenden Organe wie Niere, Harnblase, Harnleiter und Harnröhre (sog. Urogenitaltrakt) umfasst; des weiteren fallen Erkrankungen der männlichen Geschlechtsorgane in den urologischen Bereich.

nieren

Wichtig ist, die unterschiedlichen Schwerpunkte von Urologie und Nephrologie zu verstehen: Die Urologie versteht sich als chirurgische Fachdisziplin, die Untersuchungen und Operationen an den Harnwegsorganen durchführt; weitere Behandlungsschwerpunkte sind akute und chronische Entzündungen oder das Behandeln von Nierensteinen. Die Nephrologie hingegen beschäftigt sich mit Funktionsstörungen der Nieren, deren Auswirkungen auf den gesamten Organismus und natürlich deren Behandlung. Diese Funktionsstörungen, gemeint ist zumeist eine eingeschränkte Nierenfunktion (Insuffizienz) bis hin zum Totalversagen, können sowohl aus verschiedenen krankhaften Veränderungen des Nierengewebes entstehen als auch Folge anderer systemischer Erkrankungen sein; hier sind zuerst Bluthochdruck und Diabetes zu nennen. Eine eingeschränkte Nierenfunktion wird, solange sich keine Verschlechterung des Allgemeinbefindens zeigt, zumeist durch Laboruntersuchungen entdeckt. Zu den Aufgaben des Facharztes für Nephrologie gehört auch die Vorbereitung und Überwachung der Nierenersatztherapie (externe Blutwäsche, Dialyse).

In der Geschichte der Medizin ist die Nierenheilkunde eine vergleichsweise junge Disziplin, die sich erst im 20. Jahrhundert richtig etablierte. Die Tragik hinter dieser Tatsache ist, dass zuvor Nierenerkrankungen mit fortschreitendem Funktionsverlust praktisch immer einen tödlichen Ausgang nahmen, da sich der Körper der Betroffenen durch den nicht mehr stattfindenden Filtrations- und Ausscheidungsprozess von Abfallprodukten des Harnstoffwechsels selbst vergiftete, ohne dass ärztlicherseits dagegen effektiv vorgegangen werden konnte. Die Therapie beschränkte sich auf Diätvorschriften und oberflächliche Symptomlinderung.

19_Nierenfunktion

Heute sind die Eckpfeiler in der Behandlung von Funktionseinschränkungen der Nieren einerseits die medikamentöse Therapie, welche ggfs. auch die anderen involvierten systemischen Erkrankungen umfasst – mit dem Ziel, die eigene Nierenfunktion so lange als möglich aufrecht zu erhalten. Der andere große Therapiebereich umfasst die externe Blutreinigung (Dialyse) sowie die Organtransplantation der Nieren. Wie zuvor angedeutet, sind sowohl die Dialyseverfahren als auch die Nierentransplantation Entwicklungen der Medizin des 20. Jahrhunderts. Erste leidlich erfolgreiche Versuche mit externer Blutfiltration fanden in den 1920er Jahren statt. Als Erfinder der „Blutwäsche“ im heutigen Sinne gilt der deutsche Mediziner Georg Haas (1886-1971), der als Internist an der medizinischen Poliklinik in Gießen 1924 erstmals mittels eines von ihm entwickelten Filtrationsverfahrens das Blut eines Nierenkranken außerhalb des Körpers entgiftete und wieder zurück führte. Die danach verbesserten Laborwerte des Patienten zeigten, dass Haas auf dem richtigen Weg war. Hieraus entstand indes noch kein medizinischer Regelbetrieb; seine Experimente blieben zunächst Einzelversuche. Erst über 20 Jahre später, 1946, entwickelte der Schwede Nils Alwall die erste klinisch tatsächlich brauchbare Dialysemaschine. Gegenwärtig verdanken weltweit etwa 1,5 Millionen Menschen ihr Überleben der regelmäßigen maschinellen Blutwäsche, davon über 60.000 allein in Deutschland.

Die erste längerfristig erfolgreiche Nierenverpflanzung (Transplantation) gelang dem Arzt Joseph Murray erst 1954 in Boston USA; ein begünstigender Faktor war hierbei, dass Spender und Empfänger Zwillingsbrüder mit fast gleichen genetischen Anlagen waren, so dass die sonst standardmäßig auftretenden Abstoßungsreaktionen des Körpers beim Empfänger weitgehend ausblieben. Dr. Murray gelang mittels medikamentöser Unterdrückung der Abstoßungsreaktion (Immunsuppression) im Jahr 1962 auch erstmals die erfolgreiche Transplantation bei genetisch verschiedenen Personen. In Deutschland war man ein Jahr später soweit: Am Berliner Universitätsklinikum Westend wurde die erste Nierentransplantation durchgeführt. In den letzten Jahren fanden deutschlandweit zwischen 1500 und 2000 Nierentransplantationen jährlich statt. Der Bedarf ist um ein vielfaches höher, jedoch stehen nie genug Spenderorgane zur Verfügung: Zehntausende Patienten mit eingeschränkter oder komplett ausgefallener Nierenfunktion warten derzeit hierzulande auf eine neue Niere, um ihre Dialyseabhängigkeit beenden zu können oder gar nicht erst zum Dialysefall zu werden. Eine transplantierte Niere behält ihre volle Funktionsfähigkeit durchschnittlich etwa neun Jahre; es sind aber auch zahlreiche Fälle bekannt, wo das verpflanzte Organ auch nach über 20 Jahren noch zuverlässig das Blut von Giftstoffen befreit.

Text: Alexander Strauch

 

 

 

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