Mal ehrlich, bei der Frage nach einem berühmten Mediziner würde Ihnen sein Name vermutlich nicht als allererstes einfallen. Dabei ist er Nobelpreisträger und sein Konterfei zierte schon in den 50er Jahren deutsche Briefmarken sowie ab 1990 auch den neuen 200 DM – Geldschein. Vermutlich liegt es daran, dass nicht die direkt am Menschen praktizierte Heilkunst als begnadeter Operateur den Fokus seines Schaffens bildete, sondern die labormedizinische Forschung: Paul Ehrlich gilt als Begründer der modernen Chemotherapie.
Sein Lebensweg beginnt am 14.März 1854 in Strehlen bei Breslau als Sohn eines jüdischen Schnapsfabrikanten. Schon als Gymnasiast in Breslau experimentiert der junge Paul, angeregt durch die Arbeiten seines älteren Cousins, des späteren renommierten Pathologen Karl Weigert (1845 -1904) mit mikroskopischen Gewebepräparaten, die er unterschiedlich einfärbt. Nach dem Abitur studiert Ehrlich ab 1872 Medizin in Breslau, Straßburg, Freiburg und Leipzig, wo er 1878 promoviert (Titel der Arbeit: „Beiträge zur Theorie und Praxis der histologischen Färbung“). Es schließt sich eine erste Stelle als Assistenzarzt beim Leiter der internistischen Abteilung der Berliner Charité, Prof. Theodor Frerichs, an. Dieser erkennt das geniale Potential des jungen Ehrlich abseits der praktischen Medizin und lässt ihn im Labor nach dem Erreger der Syphilis sowie dem Aufbau der roten und weißen Blutkörperchen forschen. Seine Habilitationsschrift folgt 1885: „Das Sauerstoffbedürfnis des Organismus“, eine Arbeit, in der er durch genaue Analyse eingefärbter Gewebearten deren Besonderheiten nachweisen kann.
Bald nach dem Tod seines Mentors Frerichs 1885 verlässt Paul Ehrlich die Charite und richtet sich in seiner Berliner Wohnung ein privates Labor ein. 1888 erkrankt er an Tuberkulose, vermutlich durch den Umgang mit infiziertem Material in seinem Labor. Ein zweijähriger Kuraufenthalt in Ägypten kuriert das Leiden. 1891 holt ihn der Bakteriologe Robert Koch (1843-1910) an sein neu gegründetes „Preußisches Institut für Infektionskrankheiten“. Hier trifft Ehrlich auf Emil Adolf Behring (1854-1917), der an der Entwicklung eines Serums gegen die Diphtherie arbeitet. Die beiden entwickeln ein ambivalentes Verhältnis, welches einerseits von gegenseitiger fachlicher Achtung und Freundschaft, andererseits auch von Konkurrenzdenken und Zerwürfnissen geprägt ist. Jedenfalls ist es Ehrlich, der Behrings Entdeckung eines möglichen Serums gegen Diphtherie durch seine exzellenten diagnostischen Fähigkeiten und Methoden entscheidend weiter bringt.
Nach fünf Jahren Forschertätigkeit im Institut von Robert Koch wird Paul Ehrlich 1896 zum ersten Direktor des auf Initiative des preußischen Kulturpolitikers Friedrich Althoff (1839-1908) neu gegründeten „Königlichen Instituts für Serumforschung und Serumprüfung“ in Steglitz bei Berlin (heute Berliner Stadtbezirk). Drei Jahre später zieht dieses Institut, und mit ihm Ehrlich, nach Frankfurt am Main. Hier entwickelt er seine revolutionäre Seitenkettentherorie, die -grob vereinfacht- besagt, dass ein Organismus nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip zu praktisch jedem eingedrungenen Krankheitserreger ein passendes Gegengift in den Zellen herstellen kann. Die mit zahllosen Experimenten unterfütterte Theorie brachte ihm 1908, zusammen mit dem russischen Bakteriologen Ilja Metschnikoff (1845-1916) den Nobelpreis für Medizin ein. Zu diesem Zeitpunkt steht der rastlose Forscher bereits vor der nächsten großen Entdeckung: Ein wirksames Mittel gegen die üblicherweise tödlich verlaufende Syphiliserkrankung. 1909 wird das erste wirksame Chemotherapeutikum Arsphenamin vorgestellt und ab 1910 unter dem Namen Salvarsan von den Farbwerken Hoechst AG produziert und vermarktet. Es folgen weitere Präparate, mit denen bisher tödliche Krankheiten erstmals erfolgreich bekämpft werden können.
Paul Ehrlich, der in seinen späten Jahren auch noch Professor in Göttingen und zuletzt Frankfurt war, stirbt nach Schlaganfall und Herzinfarkt am 20. August 1915 im Sanatorium Bad Homburg. Seine Grabstätte ist auf dem alten Frankfurter jüdischen Friedhof, Battonnstr., zu finden. Diverse Institutionen tragen heute seinen Namen: Schulen, Straßen, das Deutsche Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel in Langen, die Paul-Ehrlich-Stiftung sowie seit 1952 der Ludwig-Darmstaedter-Preis mit Paul-Ehrlich-Plakette für herausragende Forschungen in der Medizinwissenschaft.
Text Alexander Strauch Foto: Institut für Historische Medizin der Charité