In unserer Reihe zu Leben und Werk herausragender Mediziner darf dieser Mann nicht fehlen: Christian Georg Schmorl war ein ungemein fleißiger und vielseitiger Pathologe, dessen Arbeit das medizinische Wissen zu zahlreichen menschlichen Erkrankungen, besonders im Bereich des Skeletts und hier speziell der Wirbelsäule enorm voran brachte.
Christian Georg Schmorl wird am 2. Mai 1861 im sächsischen Mügeln geboren, der Vater ist Jurist. Er besucht das St.-Afra-Gymnasium in Meißen; nach dem Abitur beginnt er zunächst ein Studium der Mathematik in Freiburg / Breisgau, wechselt jedoch nach zwei Semestern zum Medizinstudium nach Leipzig. Er promoviert dort 1887 und beginnt seine medizinische Laufbahn als Assistenzarzt am pathologischen Institut der Universität unter dem Chefarzt Felix Victor Birch-Hirschfeld (1842 – 1899). Im Jahr 1892 habilitiert er sich mit einer Arbeit zu Krampfanfällen in der Schwangerschaft (Eklampsie), danach hält er als Gastdozent bereits erste Vorlesungen an der Leipziger Universität, etwa zur Sektionspraxis und Gerichtsmedizin.
Im Juli 1894 wechselt Schmorl nach Dresden, wo man ihm die Leitung des pathologisch-anatomischen Institutes im Stadtkrankenhaus Dresden-Friedrichstadt angeboten hatte. Dieses Krankenhaus bleibt für fast vier Jahrzehnte seine Hauptwirkungsstätte, Professurangebote anderer Universitäten (Marburg 1903, Freiburg 1905) lehnt er ab. Unter Schmorl wird das pathologische Institut zu einem überregional bedeutsamen Zentrum medizinischer Forschung und Innovation: Schon 1897 sorgt er dafür, das seine Klinik eines der ersten funktionsfähigen Röntgengeräte zur Dokumentation der Sektionsbefunde erhält; einige Jahre später wird die weiter entwickelte Technik auch für Untersuchungen am lebenden Patienten eingesetzt. Ebenfalls 1897 gehört Schmorl zu den Gründungsmitgliedern der Deutschen Pathologischen Gesellschaft (seit 1948 Deutsche Gesellschaft für Pathologie) unter dem Vorsitz von Rudolf Virchow. Bei den Kongressen der Gesellschaft übt Schmorl fast drei Jahrzehnte lang das Amt des Schriftführers aus.
In den ersten drei Dekaden des 20. Jahrhunderts ist Christian Georg Schmorl -in der Tradition von Rudolf Virchow- der wohl produktivste Pathologe in Deutschland, er seziert viele tausend Leichen und fertigt Präparate zur Dokumentation seiner Forschungen sowie als Anschauungsmaterial für die medizinische Lehre an. Seine Lehrveranstaltungen ziehen massenhaft Studierende aus dem In- und Ausland an, wobei seine Fähigkeit zur anschaulichen Vermittlung von Lehrstoff und seine freundliche, menschliche Art immer wieder lobend erwähnt wird. Mehr als 50 Veröffentlichungen und Vorträge beschäftigen sich mit Erkrankungen bzw. Veränderungen des muskuloskelettalen Apparates. Nach Forschungen zu Tuberkulose und Lungenkrebs bildet in Schmorls späterer Schaffenszeit die genaueste Beschreibung zur Anatomie, Fehlbildungen und Erkrankungen der Wirbelsäule den Schwerpunkt seiner Arbeit. Hier beschreibt er u.a. den pathologischen Prozess der Verlagerung von Bandscheibengewebe in die Wirbelkörper (die nach ihm benannten Schmorl-Knorpelknötchen bei der Wachstumsstörung Morbus Scheuermann).
Schmorl ist Mitglied im Sächsischen Landesmedizinalkollegium sowie Ehrenmitglied der Royal Society of Medicine in England. Im Frühjahr 1932 erscheint quasi als Kompendium seiner Forschung und Lehre zur Wirbelsäule das Standardwerk „Die gesunde und kranke Wirbelsäule im Röntgenbild“) und Schmorl geht mit 72 Jahren offiziell in den Ruhestand, arbeitet aber noch fallweise im Institut weiter. Hier kommt es bei einer Sektion im Sommer 1932 zu einer folgenschweren Verletzung der linken Hand, woraus sich eine bakterielle Blutvergiftung (Sepsis) entwickelt. Der geheime Medizinalrat Prof. Dr. med. Christian Georg Schmorl stirbt am 14. August 1932 in Dresden. Seine Grabstätte befindet sich auf dem dortigen Waldfriedhof Weißer Hirsch. Die heutige Deutsche Wirbelsäulengesellschaft, 2006 hervorgegangen aus den Vorgängerinstitutionen zur Wirbelsäulenchirurgie und -Forschung, verleiht seither anlässlich ihrer Jahreskongresse den Georg-Schmorl-Preis für herausragende Arbeiten zur Wirbelsäulenforschung.
Text: Alexander Strauch