Laut Definition bezeichnet der Begriff Stammzellen Zellen des Körpers, die Unterschiede in Gewebe und Zelltyp aufweisen. Im folgenden Interview mit Prof. Dr. Frank Emmerich (Leiter des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie, Leipzig) erfahren Sie mehr.
Über Stammzellentherapie wurde bereits in der Vergangenheit viel diskutiert, aber nach wie vor wissen die wenigsten, was sich hinter diesem Begriff verbirgt – oder was Stammzellen überhaupt sind und wo sie eingesetzt werden. Professor Frank Emmrich ist Leiter des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig und weiß, welches Potential sich in den wandelbaren Stammzellen verbirgt.
Professor Emmrich, was sind eigentlich Stammzellen?
„Stammzellen sind Zellen, die noch nicht spezialisiert sind. Das heißt, sie können sich im menschlichen Körper in Blutzellen, Nervenzellen, Muskelzellen, Herzzellen oder Hautzellen umwandeln. Dabei entstehen einerseits diese spezialisierten Zelltypen, andererseits können die Stammzellen als Stammzellen sich vermehren. Leider können wir das noch nicht bewusst steuern, also nicht etwa nach Wunsch mehr solche Stammzellen oder mehr differenzierte Zellen erzeugen, das ist also noch eine Herausforderung für die Forschung.“
Im menschlichen Körper sind mehr als zwanzig verschiedene Stammzelltypen bekannt. Was bewirken die?
„Stammzellen sitzen – und das ist eine Besonderheit – in so genannten Stammzellennischen, sind also nicht homogen über die Organe wie Hirn oder Leber verteilt. Aus diesen Nischen werden sie, wenn sie gebraucht werden, durch molekulare Signale abgerufen und machen sich dann wie eine Feuerwehrbrigade auf den Weg. Besonderheit ist, dass sie sich auch durch gesundes Zellgewebe hindurchbewegen können. Das können sie dann, wenn sie differenziert sind, nicht mehr.“
Was für Stammzellentypen gibt es?
„Wir unterscheiden zwischen embryonalen und so genannten adulten oder erwachsenen Stammzellen. Embryonale Stammzellen werden bei der Verschmelzung von Samenzellen und Eizellen erzeugt, können auch mittlerweile in dieser Phase eingefroren und vermehrt werden. Insofern ist auch eine Therapie mit embryonalen Stammzellen im Prinzip denkbar, allerdings bei uns in Deutschland sowohl aus ethischen wie auch aus medizinischen Gesichtspunkten umstritten. Und die Forschung damit ist auch per Gesetz sehr beschränkt.“
Und die adulten Stammzellen?
„Unter adulten Stammzellen verstehen wir Stammzellen, die während der gesamten Lebenszeit gewonnen werden können und entstehen. Das beginnt mit dem Nabelschnurstammzellen, das heißt, ganz am Anfang während der Geburt. Und man kann diese Stammzellen aus den verschiedenen Geweben, beispielsweise aus dem Knochenmark, der Nabelschnur oder auch dem Fettgewebe gewinnen. Die Besonderheit von Stammzellen aus dem Nabelschnurblut sind, dass sie frei sind von Viren, Verunreinigung, sie sind auch besonders teilungsfähig, man kann sie also recht gut vermehren.“
Wie werden Stammzellen aus Nabelschnurblut gewonnen?
„Man gewinnt sie aus der Nabelschnur, also nur einmal ist das möglich, zum Zeitpunkt der Geburt, dann aber ohne jede Beeinträchtigung weder für die Mutter noch für das Kind. Und es ist auch eine Besonderheit, dass es keine Invasion darstellt, das ist im Gegensatz beispielsweise zum Knochenmark.“
Wo werden Stammzellen heute schon eingesetzt? Wo können Sie in Zukunft eingesetzt werden?
„Beispielsweise in der Krebstherapie, da ist bei den Nabelschnurstammzellen besonders bei Lymphomen von Erfolgen die Rede. Es können aber natürlich aus Stammzellen auch Gewebe außerhalb des Körpers aufgebaut werden, die man dann wieder verwenden kann. Wir haben uns damit beschäftigt, Stammzellen, daraufhin zu untersuchen, ob man sie beim Schlaganfall einsetzen kann, also einer leider sehr häufigen Erkrankung, bei der Nervengewebe zerstört wird und wieder daran gearbeitet wird, das aufzubauen oder Reparaturvorgänge zu unterstützen und das kann man mit solchen Stammzellen im Tierversuch auch nachweisen.“
Falls Sie an weiteren Informationen interessiert sind finden Sie diese im Internet unter www.nabelschnurblut.de oder www.nabelschnurblut-experten.de.
Dieses Interview wurde von „hörBar gesund“ geführt. Die Redaktion von IGTV bedankt sich für die Bereitstellung.