Seit einigen Wochen mehren sich in Deutschland die bestätigten Fälle von durch so genannte EHEC – Bakterien verursachten Darminfektionen mit schwerem, teils tödlichem Krankheitsverlauf. Da die Ursachen, Verbreitungswege und das tatsächliche Gefahrenpotential der aktuellen Infektionswelle bisher nicht genau geklärt sind, verbreiten sich durch die Medien Gerüchte, Halbwahrheiten und Fehlinformationen schneller als die Erreger selbst – eine besonders unrühmliche Rolle spielt hier wieder die großlettrige Boulevardpresse. Ihre-Gesundheit.tv ist nicht an der Streuung derartiger Horrorszenarien gelegen; wir wollen für Sie statt dessen die Faktenlage (Stand: 27.05.2011, 16:00 Uhr) kompakt und sachlich zusammenfassen.
-Was meint der Begriff EHEC genau?
EHEC ist die gebräuchliche Abkürzung für 42 bisher bekannte Varianten (Subtypen) des Bakteriums Escherichia coli aus der Familie der Enterobacteriaceae, der im Darm von Mensch und Tier vorkommenden Bakterien. Benannt ist das Bakterium nach seinem Entdecker, dem österreichischen Kinderarzt und Bakteriologen Theodor Escherich (1857-1911). Von diesen Darmbakterien sind gegenwärtig über 200 Formen bekannt, von denen die meisten zur normalen, gesunden Darmflora des Menschen gehören und keinerlei Probleme verursachen. Das zur Zeit im Fokus der Aufmerksamkeit stehende EHEC (enterohämorrhagisches Escherichia coli)-Bakterium namens HUSEC 41 jedoch gehört zur Darmflora von Rindern, Schafen und Ziegen, beim Menschen wirkt es pathogen (krankheitserregend). Seit 1998 besteht in Deutschland Meldepflicht für EHEC-Infektionen, seither wurden jährlich etwa 1.000 Erkrankungsfälle erfasst. Allerdings wird die ganz überwiegende Mehrzahl der Fälle mit mildem Verlauf nicht identifiziert, da die Symptome einem „normalen“ Durchfall gleichen, der nach wenigen Tagen abklingt. Zwischen 10 und 20 Prozent aller Infizierten entwickeln jedoch jene schwere Verlaufsform, die aktuell diskutiert wird.
-Wie kann man sich anstecken, was sind typische Symptome?
Eine Infektion mit EHEC-Bakterien erfolgt üblicherweise durch den Verzehr von belasteten Lebensmitteln, hier sind vor allem rohes bzw. ungenügend gegartes Fleisch oder Rohmilch zu nennen, aber eben auch ungewaschenes, rohes Gemüse und Salat, wenn die Produkte mit Exkrementen von EHEC tragenden Nutztieren gedüngt wurden. Üblicherweise wird jedoch nicht das junge Gemüse auf dem Feld mit Dung besprüht, sondern es wird der Boden gedüngt, bevor das Einbringen der Setzlinge erfolgt. In der aktuellen Situation wird vermutet, dass der in diesem Frühjahr ausgebrachte Dung durch lange Trockenperioden nicht ausreichend im Boden versickern konnte und sich somit die auch außerhalb des Körpers recht lange überlebensfähigen Bakterien auf die Oberfläche des wachsenden Gemüses hefteten. Ferner können die Erreger auch von Mensch zu Mensch übertragen werden (sog. Schmierinfektion), etwa bei ungenügender Toilettenhygiene.
Die Zeitspanne von der erfolgten Infektion bis zur Entwicklung erster Symptome kann zwischen zwei und zehn Tagen betragen. Es kommt zu heftigem, wässerigem Durchfall, meist begleitet von wellenartigen Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen sowie leicht erhöhter Temperatur. Dies alles sind allerdings noch „normale“ Durchfallsymptome, die vielerlei Ursachen haben können. Wenn sich jedoch die Symptome nach wenigen Tagen nicht deutlich bessern bzw. der Durchfall blutig ist und die Schmerzen kolikartig heftig werden, sollte man sich unbedingt und unverzüglich in ärztliche Behandlung begeben, um die Ursache zu ermitteln und richtig zu therapieren.
-Warum kann eine EHEC-Infektion lebensbedrohlich werden?
Bei etwa zehn Prozent der Patienten mit den zuvor beschriebenen schweren Krankheitssymptomen kommt es durch von den Bakterien gebildete Zellgifte, wenn diese in die Blutbahn gelangen, zu einer massiven Schädigung der feinen Gefäße im Innern der Nieren, so dass deren normale Reinigungs- und Entgiftungsfunktion in kurzer Zeit völlig zum Erliegen kommt (akutes Nierenversagen). Darüber hinaus schädigen die Zellgifte auch die Darmwand sowie Bestandteile des Blutes, es entsteht ein Mangel an roten Blutkörperchen und Blutplättchen (Thrombozyten). Der Mediziner bezeichnet dieses lebensbedrohliche Krankheitsbild als hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS), mit einer Sterblichkeitsrate von 10-20 Prozent.
Das HUS kann meistens nicht durch Gabe von Antibiotika bekämpft werden, da die Bakterien im Abwehrkampf gegen die Chemotherapie kurzzeitig noch viel mehr Zellgifte produzieren, was den Krankheitsverlauf weiter verschlimmert und bei dem ohnehin reduzierten Allgemeinzustand der Patienten oft zum Tode führt. Zudem zeigt der Erreger HUSEC 41 im Labor Resistenzen gegen die gängigen Antibiotika; es wird vermutet, dass es sich bei diesem Erregertyp um eine neue Mutation handelt, die im Körper der Wirtstiere „gelernt“ hat, mit Antibiotika fertig zu werden. Diese These ist einleuchtend, wenn man sich den hemmungslosen, vorbeugenden Einsatz von Antibiotika in der konventionellen Massentierhaltung vergegenwärtigt.
Bei der intensivmedizinischen Behandlung im Krankenhaus wird daher versucht, einerseits den durchfallbedingten massiven Flüssigkeits- und Elektrolytverlust durch Infusionen wieder auszugleichen und andererseits das vergiftete Blut durch Trennung seiner Bestandteile und Ersatz aus Blutkonserven zu reinigen (Plasmapherese). Auch nach überstandener Erkrankung bleiben oftmals irreversible Einschränkungen der Nierenfunktion zurück, die eine regelmäßige externe Blutwäsche (Dialyse) erforderlich machen.
-Wie kann man einer EHEC-Infektion bestmöglich vorbeugen?
Seien Sie kritisch. Kaufen Sie keine Lebensmittel, die in der aktuellen Situation als bestätigte Träger des Erregers gelten oder im Verdacht stehen, Bakterienträger zu sein. Die Erkenntnislage hierzu kann sich täglich ändern, verfolgen Sie die Meldungen seriöser Quellen. Meiden Sie den Verzehr von rohem oder nicht vollständig durchgegartem Fleisch. Verzehren Sie, wenn möglich, auch ihr Gemüse lieber gegart als roh. Falls es dennoch Rohkost / Salat sein soll: Schälen Sie Gurken, Möhren, Tomaten etc. und berühren Sie das geschälte Gemüse nicht wieder mit den Händen, bevor diese mit Seife heiß abgewaschen wurden. Auch ein zusätzlicher Spritzer Handdesinfektionsmittel aus dem Wandspender ist jetzt bestimmt nicht übertrieben. Benutzte Küchenwerkzeuge sollten sofort unter Zugabe von Reinigungsmittel heiß abgespült werden oder in die Spülmaschine wandern (65 Grad-Programm). Auch die Wechselintervalle für Küchenhandtücher und Schwämme sollten sie drastisch verkürzen. Feuchte Schwämme und Lappen sind ideale Bakterienparkflächen, Ersatz ist billig. Sorgen Sie außerdem für eine einwandfreie Toilettenhygiene: Nicht nur das Händewaschen nach jedem Toilettengang sollte selbstverständlich sein, auch das Toilettenbecken und besonders der Sitz sollten konsequent mit bakteriziden Mitteln sauber gehalten werden.
Das Team von ihre-gesundheit.tv wünscht Ihnen einen gesunden Sommer. Wir werden Sie über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden halten.
Für weitere Informationen zum Thema nutzen Sie folgende Hotlines:
Bundesministerium für Gesundheit: 01805 996601
Bundesverbraucherministerium: 030 185293377